Anleitung zur perfekten Schriftauswahl

Anleitung zur Schriftauswahl
Kategorie: Design Wissen

Die Wahl der richtigen Schrift ist genauso wichtig wie die Auswahl eines Bildes. Erst wenn Bild und Schrift zusammen kommen, erhöht sich die Aufmerksamkeit der Leser. Doch wie findet man eine passende Schrift? 

Viele Gestalter nehmen sich nicht genügend Zeit für die Auswahl der richtigen Schrift. Jedoch gibt es gerade bei der Gestaltung mit Schrift einiges zu bedenken.

  • Harmonie zwischen Bild und Text
  • Information, die schnell erfassbar ist
  • Ein Gefühl oder eine Emotion, die visuell sichtbar gemacht werden soll

Hier meine Anleitung zur Auswahl einer passenden Schrift:

Schritt 1: Für welches Medium soll gestaltet werden?

Lege zuerst fest, für welches Medium gestaltet werden soll. Soll die gewünschte Schrift für die Bildschirmdarstellung oder für den Druck genutzt werden – oder für beides?

Unterschiedliche Formate und Wiedergabemedien wie Buch, iPad oder Plakat erfordern unterschiedliche Auflösungen und Anforderungen an die Lesbarkeit.

Printmedien benötigen eine hohe Auflösung

Printmedien haben den Vorteil, dass das Schriftbild immer scharf dargestellt wird. Der Abstand zum Leser bestimmt die Lesbarkeit. Dazu gehören:

    • Bücher, mehrseitige Kataloge und Broschüren
    • Plakate und Flyer
    • Geschäftsausstattung und Corporate Design
    • Messestand, Banner und Displays

Onlinemedien brauchen Flexibilität

Bei der Gestaltung für Onlinemedien muss man die unterschiedlichen Bildschirmgrößen bedenken.  Denn man weiß nie, mit welchem Gerät gelesen wird.
Zu den Onlinemedien gehört alles, was am Bildschirm dargestellt wird

      • Social Media
      • Webseiten, Softwareprogramme, …
      • Monitore auf Messen und Events
      • Filme und Animationen

Schritt 2: Welche Kriterien sollen bei der Schriftauswahl beachtet werden?

Wenn ich weiß, für welches Medium und welchen Zweck ich eine Gestaltung erstelle, dann schaffe ich im nächsten Schritt Klarheit über die Herkunft einer Schrift, den Abstand zum Leser und die Textmenge, die bei der Gestaltung verwendet werden soll. (Manchmal gibt die Gestaltung auch die Textmenge vor!)

Das Schriftangebot auf dem Markt ist erst einmal überwältigend. Man fragt sich: Warum gibt es so viele Schriften zu kaufen?

Die Erstellung und der Vertrieb einer Schrift sind heute einfacher geworden und die Nachfrage nach individuellen Schriften hat sich erhöht. Es gibt also mehr Schriftdesigner als früher und mehr Schriften und Portale zur Schriftauswahl. 
Ergo: Mehr Anbieter.

Relevant für die richtige Schriftwahl ist sicherlich der Geldbeutel. Hier muss der Auftraggeber entscheiden: Wie viel darf eine Lizenz für eine Schrift kosten – oder soll sie kostenlos sein? (Vorsicht: Kostenlose Schriften können Qualitätsmängel* haben)

 

Welcher Schriften-Anbieter ist der Richtige?

Das Erste, was ich meine Kunden frage, ist die Lizenzierung der Schriften. Gibt es schon eine lizenzierte Schrift oder wie wird das bisher gehandhabt?

Kostenlose Anbieter

Es gibt kostenlose Anbieter wie Google (Google Fonts) oder Open Source Fonts, aber auch kleine Anbieter

Aboanbieter

Zu Aboanbieter gehören Canva, Microsoft oder Adobe, die im Rahmen der Softwarenutzung kostenlos Schriften zur Verfügung stellen

Schriftenportale und -shops

Und die dritte Gruppe sind Schriftdesigner, die über Portale ihre Schriften anbieten: die Typostudios wie myfonts, Fontshop, URW++, Linotype und viele kleine Fontshops (Emigre, Liebefonts, …).

 

Welche Auswahloptionen gibt es für eine Schrift?

Das zweite Kriterium, dass ich bei der Schriftauswahl beachte, ist ihr Einsatzzweck. Denn die Schrift darf ja nicht nur schön sein, sondern hat auch eine Funktion innerhalb der Gestaltung.

In den klassischen Schriftportalen kann man Schriften nach fachlichen Kategorien durchsuchen. Es gibt selten eine Unterteilung nach der Nutzung z. B. Bücherschriften, Plakatschriften. Einzig die Rubrik Webfonts ist zu finden. Ansonsten sind die Unterteilungen folgendermaßen:

Kategorien

Schriften werden oft in verschiedene Kategorien unterteilt, das hilft einem Profi weiter, aber ein Quereinsteiger muss erst verstehen, wie die Gruppierungen aufgebaut sind:

  • Schriften mit Serifen (mit kleinen Füßchen an den Enden)
  • Schriften ohne Serifen, genannt „Sans Serife“ (schlichte Schriften mit klaren Enden – wie bei einer Linie)
  • Schreibschriften (alles was aussieht wie von Hand geschrieben)
  • Schriften sortiert nach Listen A-Z (was nur Profis weiterhilft, da wir viele Schriften bereits kennen und gezielt suchen)

Aktualität

Schriften sind nach Rankings sortiert. Wie bei Büchern und Musiktitel gibt es auch hier Bestseller und Trends, die sich jedes Jahr ändern.

Mediennutzung

Für die Nutzung am Bildschirm werden extra Webfonts entwickelt. Die restlichen Schriften sind nicht nach ihrer Verwendung sortiert, sondern nach ihrem Schriftstil. Das verwirrt alle, die sich nur ab und an mit Schriften beschäftigen.

Thema

Schriften haben einen bestimmten Ausdruck. Seriös, verspielt, extravagant, …

Deshalb sucht man Schriften, wie auch Bilder, nach emotionalen Werten aus. So unterscheiden sich die Schriften für Festlichkeit, Unternehmenskommunikation oder Events.

Was bei dieser Einteilung leider zu kurz kommt, ist die Vorkenntnis des Gestalters. Wer sich mit Schriften noch nicht gut auskennt, trifft die Wahl aus optischen Gründen – nicht aus funktionalen Gründen. So steht das Kriterium „schön“ im Vordergrund, nicht der Einsatz. Denn es gibt Schriften, die sich für ein Buch mit langen Texten gut eignen, sodass die Augen des Lesers nicht müde werden oder Schriften, die besser auf Plakaten eingesetzt werden.

Wie erkenne ich gute Schriftqualität?

Das dritte Kriterium der Schriftauswahl ist die Qualität* einer Schrift. Hier unterscheiden sich manchmal kostenlose von kostenpflichtigen Schriften. Oft erkennt man dies erst in der Anwendung, also beim konkreten Einsatz.

Als erfahrener Designer kenne ich schon einige kritische Anwendungen und teste diese vor dem Kauf.

  • Hat die Schrift Sonderzeichen und wie viele? Reichen die Zeichen für meine Anwendung aus?
  • Wie viele Schriftschnitte (z. B. regular, light, bold, extrabold,…) brauche ich?
  • Benötige ich Tabellen mit Zahlen? Wie sehen die Zahlen in einer Reihe und untereinander geschrieben aus?
  • Ist die Schrift in Fremdsprachen vorhanden?

Besonders bei einer Schreibschrift bemerkt man schon optisch einen Qualitätsunterschied. Ist sie lesbar und variiert sie in der Zusammensetzung mit anderen Buchstaben?
Mein Tipp: Schau dir mal den Font LiebeHeide von Liebefonts an: Betrachte das e – es variiert je nach Buchstabenkombination, wie bei deiner eigenen Handschrift). Das ist gute Qualität, denn die Schrift wurde für alle Anwendungsmöglichkeiten gestaltet.

Und genauso ist es mit anderen Schriftarten. Erst im Detail erkennt man die Mängel.

Wieviele Schriftarten werden benötigt?

In den meisten Fällen reicht es aus, eine Schriftart auszuwählen. Für Bücher oder Broschüren kann man zwei oder mehrere Schriftarten wählen. Das ist aber eine Ausnahme. Merke dir die folgenden Schriftarten:

Serife Schrift

Sind am Bildschirm bei kleiner Größe schlecht zu lesen. Für viel Text in Bücher oder Broschüren, aber sehr leserfreundlich. Sie eignen sich grundsätzlich auch für Headlines.

Sans Serife Schrift

Schrift ohne Serifen – also Füßchen –  sind für alles nutzbar, da machst du nichts falsch. Sie wirken aber auch langweiliger, da sie sich optisch nicht so sehr hervorheben.

Schreibschrift

Sind im Moment sehr im Trend, jedoch achte hier auf ihre Lesbarkeit! Ich empfehle immer qualitativ gute Schriften, die sich durch gute Lesbarkeit auszeichnen.

Teste die Schrift bevor du sie kaufst!

Gute Portale haben viele Beispielbilder oder die Möglichkeit einen Satz in deiner ausgewählten Schrift zu schreiben.

Wenn ich eine Schrift für ein Erscheinungsbild suche, sollte die Schrift für eine spätere Nutzung immer erweiterbar sein. D. h. ich schaue schon vorher, ob die Schrift auch andere Schriftschnitte hat (z. B. kursiv, bold, light). Von Vorteil ist es, wenn es eine richtige Schriftfamilie ist, die aus Serifenschrift und Sansschrift besteht.

Denn je mehr Anwendungen ein Unternehmen hat, desto mehr Funktionen muss die Schrift erfüllen. Und es wäre doch schade, wenn man aufgrund einer Schrift an gestalterische Grenzen stößt.

Für die Nutzung von Unternehmen mit geringem Kommunikationsmaterial reicht eine Schriftart vollkommen aus.

Schritt 3: Wieviele Schriftgrößen sind für die Gestaltung nötigt?

Diese Frage höre ich immer wieder. Meine Antwort: Das ist abhängig von der Länge und dem Inhalt der Texte und der Fläche, die zur Verfügung steht.

Mache dir eine Liste mit den nötigen Schriftgrößen, die du brauchst:

Nimm den Text und markiere die unterschiedliche Textabschnitte:

  • Schriftgröße für Headlines (kurze Texte)
  • Schriftgröße für Subheadlines (meist nur 1-2 Sätze)
  • Schriftgröße für Fließtext oder Copytext (also langen Text)
  • Schriftgröße für Bildunterschriften, Tabellen, Fußnoten (kleinste Schriftgröße nicht unter 6 pkt)

Als Tipp: Für Socialmedia Posts empfehle ich maximal 3 Schriftgrößen und 2 Schriftarten

Neu sind sogenannte Liquid Fonts

Diese Schriften sind flexibel (haben keine feste Größenangabe) und können sowohl in der Schriftgröße als auch im Schriftschnitt fließend eingestellt werden.

Die Gefahr besteht jedoch darin, dass man sich schnell dazu verführen lässt, mit zu vielen unterschiedlichen Schriftgrößen zu gestaltet und dadurch kein einheitliches Bild entsteht.

Schritt 4: Was muss bei der Gestaltung mit Schriften noch beachtet werden?


Wenn es um die konkrete Umsetzung mit einer ausgewählten Schrift geht, sollten noch weitere Details geprüft werden. Je nach Länge des Textes müssen vorab folgende Regeln festgelegt werden:

    • Bestimme den Zeilenabstand: Faustregel je länger die Zeile desto höher der Zeilenabstand
    • Prüfe die Laufweite oder Abstände zwischen den Buchstaben (Laufweite / Spationierung): je nach Schrift und Schriftgröße kann man hier die Einstellung etwas mehr oder weniger eng vornehmen. Je größer die Schrift desto weniger Buchstabenzwischenraum. Je kleiner die Schrift, desto mehr Abstand.
    • Schau nach den Wortzwischenräumen (bei großer Schrift meist verringern) und Trennungen. Eine breite Schrift braucht breite Wortabstände. Ein Blocksatz sollte schön ausgeglichen wirken, das kann man mit Wortzwischenräumen auslgeichen.
    • Begutachte deine Hervorhebungen – auch die Satzzeichen (Das Satzzeichen am Ende wird auch bold gesetzt > vergesse ich auch gerne!)
    • Abstände bei Abkürzungen verwenden. (Dr. B. Müller) Nach dem Punkt immer ein Leerzeichen (Eigentlich ein „flexibles“ Leerzeichen – halb so breit wie ein Wortzwischenraum – diese Details sind leider nur in Profiprogrammen umsetzbar)
    • Prüfe horizontale Striche (Trennstriche, Gedankenstrich, Minusstrich)
    • Nutze die richtigen Apostrophe (`/ ´)und
    • Anführungszeichen (deutsche Anführungszeichen „xx“, englische “xx“, französische »xx«). Ich finde die französischen Anführungszeichen (Guillements) für alleinstehende Zitate schöner, da sie weniger auffallen.

Prüfe anhand deiner ausgewählten Schrift, ob sie all diese Anforderungen erfüllt.

Schritt 5: Ein letzter Blick auf das Gesamtbild

Und am Ende deiner Gestaltung solltest du nochmals einen Blick auf Bild und Text werfen.

Passt der Zeilenabstand, der Wortzwischenraum und die Schriftgröße zur Anwendung?

Passt die Lesbarkeit und die Leserichtung? Wird das Auge geführt und nicht mit zu viel Information überfordert?

Sobald du mehr mit Schriften arbeitest, bekommst du auch mehr Routine und du stellst dir die Fragen automatisch bei der Schriftauswahl. Aber bis dahin heißt es üben, üben, üben.

Wenn du mehr über Gestaltung wissen möchtest, dann empfehle ich dir noch den Artikel über die Gestaltung mit Stilmittel. Oder komm in meine Design-Sprechstunde. Dort kannst du deine Designs mitbringen, mir deine Fragen und Wünsche als Sparringpartner stellen. Buche dazu einfach einen Kennenlern-Termin und wir vereinbaren eine individuelle Session.

Weigle

Cornelia Weigle
Ich unterstütze Experten, Soloselbstständige & Arztpraxen dabei, ihre Expertise, die sie schon lange haben, visuell zu zeigen. Egal ob sie am Anfang stehen oder schon einige Jahre selbstständig sind. Wichtig sind die Geschichten, die in eine visuelle Strategie eingebettet werden, um daraus ein einzigartiges Marken- oder Logodesign zu kreieren. Denn wer will nicht einzigartig sein, sich aus der Masse hervorheben, sich abgrenzen - alles in allem - unkopierbar sein und in Erinnerung bleiben?

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