Als wir uns Mitte November spontan entschieden, einen japanischen Austauschschüler über die Weihnachtszeit aufzunehmen, ahnten wir noch nicht, wie bereichernd diese Erfahrung für alle Beteiligten sein würde.
Besonders für unsere Söhne bot dieser kulturelle Austausch eine einmalige Gelegenheit, ihren Horizont zu erweitern. Auch meine persönliche Faszination für Japan spielte bei der Entscheidung eine Rolle – welch bessere Möglichkeit gäbe es, Land und Kultur kennenzulernen, als durch direkten Kontakt mit seinen Menschen?
Aber der Reihe nach.
Die ersten AHA-Momente
Schon die Fahrt vom Münchner Flughafen wurde für unseren Gast Rikuto zum Abenteuer. Die hohen Geschwindigkeiten auf deutschen Autobahnen und der Rechtsverkehr stellten erste kulturelle Unterschiede dar.
Anmerkung: Als Japan seine erste Eisenbahnlinie baute, engagierte das Land britische Ingenieure als Berater, da Großbritannien damals führend in der Eisenbahntechnologie war. Die Briten, die selbst Linksverkehr hatten, implementierten dieses System auch in Japan.
Da er über 12 Stunden unterwegs war, legten wir eine Pause in einem traditionellen bayerischen Lokal ein. Und dort kam es zu einer sehr amüsanten Szene. Er kannte keine Steaks und mein Sohn motivierte ihn dazu eines zu bestellen.
Konfrontiert mit einem 200-Gramm-Steak und europäischem Besteck, zeigte sich die Verschiedenheit unserer Esskulturen.
Wie zum Teufel esse ich ein 200g Steak? Der erste Lacher.
Im Gegenzug sollte er uns im Laufe des Aufenthalts mit seiner Geschicklichkeit im Umgang mit Stäbchen noch beeindrucken.

Kulturelle Entdeckungen
Wie darf man es sich vorstellen, wenn ein Schüler von einer komplett anderen Kultur zu uns nach Deutschland kommt – und das noch zu unserer traditionellsten Zeit des Jahres an Weihnachten?
Es war für beide Seiten etwas völlig Neues.
Lehrreiches
- Er war es nicht gewohnt, ein eigenes Zimmer zu haben. Das war für ihn Luxus pur. In Japan hat eine durchschnittliche 4-köpfige Familie 70 qm2 zum Wohnen.
- Das Verhältnis zwischen Ältere und Jüngere ist hierarchisch klar in Rollen getrennt. Anfangs blickte er uns nicht in die Augen, nicht einmal unserem ältesten Sohn, nur dem jüngsten, der auch jünger war als er selbst. Bis er uns nach zwei Wochen erklärt hat, dass dies in Japan so üblich ist. Man zeigt Respekt, indem man Menschen, die älter sind, nicht direkt in die Augen schaut. Das ist nicht unhöflich, sondern respektvoll.
- Eishockey spielt in Japan keine Rolle. Umso mehr freute er sich, dass wir hier in Ravensburg eine tolle Eishockeymannschaft haben. Da er selbst einmal Einshockey gespielt hat, waren die Jungs bei fast jedem Spiel dabei und haben mitgefiebert. Und das Highlight für ihn war ein Autogramm von einem seiner Lieblingsspieler. Somit hatten wir hier den am weit entfernteste Fan der lokalen Towerstars Eishockeymannschaft!
- Schule ist in Japan anders. Es gibt Schuluniformen, ohne die man den Schulbereich nicht betreten darf. Die Schulzeiten sind so getaktet, dass zusätzlicher Freizeitsport am Nachmittag nicht möglich ist. Statt Freizeitprogramm wird erwartet, am Nachmittag verschiedene zusätzliche Kurse in der Schule zu besuchen.
Welche Bedeutung hat Weihnachten in Japan?
- Weihnachten gibt es in Japan nicht. Keine Geschenke! Keine Feiertage. Religion ist Privatsache. Während in Japan der 24. Dezember ein normaler Arbeitstag ist, höchstens mit einem Besuch bei KFC gekrönt, erlebte Rikuto bei uns das volle traditionelle Weihnachtsprogramm.
- Das Schenken in Japan folgt strengen sozialen Regeln bezüglich Verpackung, Wert und Art des Geschenks. Die Präsentation und der Akt des Schenkens sind dabei oft wichtiger als das Geschenk selbst.
- In der Regel werden Geschäftspartner, Vorgesetzte oder Menschen, denen man zu Dank verpflichtet ist, am Jahresende beschenkt. Familie und Freunde bei üblichen Gelegenheiten wie Hochzeit, Geburtstag, Souvenirs und zum Valentinstag (hier üblicherweise Schokolade!). Schokolade war für unseren Besuch immer etwas Besonderes und ich glaube, er hat am Ende einen halben Koffer davon mitgenommen.
- Man geht an Neujahr zu einem Schrein und schickt seine Wünsche für das neue Jahr ins Universum. That’s it.
Ich fand es schön uns gegenseitig die Kultur zu zeigen, wie wir Weihnachten verstehen und welche Werte dahinter stecken. Im Gegenzug die japanische Kultur, die stark darin unterscheidet, was privat ist und was Business bzw. Schule.

Meine Hightlights
Mein Highlight waren seine Mitbringsel. Klar als Designerin sehe ich Produkte und Verpackungen mit anderen Augen.
Kitkat Verpackung (siehe Titelbild):
Optisch sehr ähnlich wie bei uns, jedoch kraftvoller in den Farben und seeehr unterschiedliche Geschmacksrichtungen. Weniger süß – den typischen japanischen Macha-Geschmack oder das sehr künstliche Erdbeeraroma. Ich glaube, bei meinem Besuch in Japan werde ich genau hinsehen, um welche Süßigkeiten ich einen weiten Bogen mache 🙂
Sushi Radiergummis
Was mich wiederum total begeistert hat, sind die für Japan typischen liebevollen Kleinigkeiten. Hier eine Sammlung an Radiergummis, die aussehen wie kleine Sushis.
Das erinnert mich immer an die Bento-Boxen, in denen das Essen liebevoll angerichtet wird. Manche Mutter – habe ich mir sagen lassen – muss dafür morgens eine halbe Stunde früher aufsteht!

Was nehme ich mit?
Diese interkulturelle Begegnung ist Gold wert. Kein Sprachkurs oder Reiseführer hätte uns die japanische Kultur so nahebringen können wie dieser persönliche Austausch. Die kleinen Momente des Alltags offenbarten die wahren kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Mit dieser Erfahrung und einem neuen Freund in Japan freue ich mich nun umso mehr auf eine zukünftige Reise in dieses Land.
Ich bin Cornelia und erzähle normalerweise visuelle Geschichten. Heute habe ich über mein Lieblingsthema Japan geschrieben und hoffe, dir einen Einblick in eine andere Kultur gegeben zu haben.
Mein Schwerpunkt ist Grafikdesign, japanische Ästhetik und die Kreation von Designs OUTSIDE THE BOX. Das ist Design, das dich, deine Werte und Geschichten sichtbar macht.
Wenn du dir Unterstützung bei einem Designprojekt, einem neuen Auftritt oder für etwas ganz Besonderes wünschst, dann melde dich per E-Mail oder DM.
Monats Zitat
»Alles was uns an anderen stört, kann uns helfen, uns selbst besser zu verstehen.«